Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig in der digitalen Welt und ist mittlerweile ein fester Bestandteil im Leben vieler Menschen geworden. Fast jede App, die wir täglich nutzen, bietet integrierte KI-Funktionen – sei es zur Bildgenerierung, Textverbesserung oder als digitaler Assistent. Die Eingabemasken traditioneller Suchmaschinen werden zunehmend durch die Prompts großer Sprachmodelle (LLMs) abgelöst, die uns angeblich die gesuchte Information "besser" und direkter präsentieren. Die Versuchung ist groß, immer öfter "jemand anderen" zu fragen. Es wird uns durch geschicktes Marketing suggeriert, dass hinter dem Prompt ein allwissender, stets höflicher und freundlicher Helfer steckt.
Doch so verlockend und praktisch diese Entwicklung auch sein mag, sie wirft eine entscheidende Frage auf: Geben wir mit der sukzessiven Auslagerung von Aufgaben an die KI nicht auch sukzessive unser eigenes Denken auf? Und wird uns das am Ende sogar dümmer machen? Was bedeutet diese Entwicklung für unser Gehirn und unsere Fähigkeiten?
🛋️✨ Bequemlichkeit
Die Bequemlichkeit hat oft ihren Preis. Erinnern wir uns an das Beispiel des Navigationsgeräts: Viele von uns kennen noch die gedruckten Autoatlanten, die uns zwangen, Routen selbst zu planen und uns dabei besser räumlich zu orientieren. Mit der Einführung von GPS und Diensten wie Google Maps wurde uns die Navigation als komfortable "Turn-by-Turn"-Anweisung serviert. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigte allerdings, dass wir mit GPS-Navigation tatsächlich ein schlechteres räumliches Verständnis entwickeln, da wir weniger aktiv auf unsere Umgebung achten müssen [1].
Was bedeutet das für die Nutzung von KI? Ähnlich wie beim Navigationsgerät oder dem Taschenrechner (gegen den Mathelehrer protestierten wir 1966!), neigen wir dazu, uns auf die Technologie zu verlassen und unsere eigenen kognitiven Anstrengungen zu reduzieren.
🧠💤 Kognitive Faulheit und ihre Folgen
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in "Societies", untersucht genau dieses Phänomen: Wie die wachsende Abhängigkeit von KI-Tools kritische Denkfähigkeiten untergraben kann, insbesondere durch das sogenannte "Cognitive Offloading" (kognitive Entlastung) [2]. Bei dieser Studie wurden 666 Probanden interviewt, unter anderem mit der Hypothese, dass eine höhere Nutzung von KI-Tools im Zusammenhang mit reduzierten kritischen Denkfähigkeiten steht. Während geistige Entlastung Ressourcen freisetzen kann, besteht die Sorge, dass sie zu einer Verringerung des geistigen Aufwands führen könnte, was einige Forscher als „kognitive Faulheit“ bezeichnen.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die aufgestellte Hypothese stimmt. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte klar, dass es einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen der Nutzung von KI-Tools und kritischem Denken gibt. Teilnehmer, die eine höhere Nutzung von KI-Tools angaben, erzielten durchweg niedrigere Werte in den Bewertungen des kritischen Denkens. Spannend war auch die Erkenntnis, dass der Effekt der kognitiven Faulheit und des kritischen Denkens bei Jüngeren stärker ausgeprägt ist als bei Erwachsenen. Zudem hatten besser Ausgebildete ein höheres Maß an kritischem Denken als weniger gut Ausgebildete.
In dieser Publikation wurde klar darauf hingewiesen, dass Pädagogen und Entscheidungsträger eine ausgewogene Integration von KI in Bildungseinrichtungen fördern sollten, um sicherzustellen, dass KI-Tools geistige Aufgaben ergänzen und nicht ersetzen. Die Betonung aktiver Lernstrategien und kritischer Denkübungen kann helfen, die negativen Auswirkungen der kognitiven Entlastung zu mildern und die Entwicklung wesentlicher kognitiver Fähigkeiten zu unterstützen.
💼📉 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz verändert die Arbeitswelt grundlegend. Während KI viele Prozesse effizienter macht, gibt es auch tiefgreifende Folgen für die Fähigkeiten und Denkweisen von Arbeitnehmern, insbesondere der Generation Z (geboren ca. 1997-2012). Dies zeigt auch ein aktueller Artikel in Forbes [3].
Jüngere Arbeitnehmer:innen verlassen sich zunehmend auf KI-generierte Inhalte, ohne deren Qualität zu hinterfragen. Die Fähigkeit, komplexe Aufgaben eigenständig zu lösen, könnte darunter leiden. Laut einer Untersuchung von Microsoft und Carnegie Mellon führt die automatisierte Unterstützung dazu, dass kreative und analytische Prozesse verkümmern.
Parallel dazu planen weltweit bereits 41 % der Unternehmen, ihre Belegschaft bis 2030 aufgrund von KI zu reduzieren [4]. Automatisierung nimmt Tätigkeiten ab, die früher menschliches Fachwissen erforderten. Doch nicht nur die Arbeitsplätze selbst stehen unter Druck – auch die Art und Weise, wie Menschen Informationen aufnehmen, verändert sich.
Der Begriff „Algorithmic Complacency“ beschreibt die wachsende Abhängigkeit von Algorithmen zur Informationsbeschaffung. Während früher aktive Recherche und eigenes Denken entscheidend waren, übernehmen heute Suchmaschinen und KI-generierte Empfehlungen diese Prozesse. Das Risiko besteht, dass Menschen weniger selbstständig denken und sich zunehmend von automatisierten Systemen lenken lassen.
⚠️🤖 Warum blindes Vertrauen in KI gefährlich ist
Wir vertrauen oft auf KI, weil sie unser Leben einfacher macht – es ist einfach bequem. Aber sollten wir wirklich blind auf sie vertrauen? Auf keinen Fall! Die bekannten Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini und Copilot sind keine allwissenden Datenbanken. Sie sind komplexe statistische Modelle, die Muster in großen Textmengen erkennen und Texte generieren, die wahrscheinlich korrekt klingen. Wie der KI-Pionier Geoffrey Hinton warnte, können diese Modelle nicht zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden, da ihnen das Verständnis der Welt fehlt, das wir Menschen haben.
Die Gefahr wächst, weil diese Sprachmodelle oft als "fehlerfrei" oder unfehlbar beworben werden. Das führt dazu, dass viele Menschen sie als Hauptquelle für Informationen nutzen und deren Ergebnisse unkritisch übernehmen. Schätzungen zufolge werden bereits 57 % des Online-Inhalts von KI generiert [5], und die Verbreitung von "AI-Slop" (niedrigqualitativer KI-Inhalt) nimmt zu, selbst bei Suchergebnissen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einem digitalen Umfeld leben, in dem die Grenze zwischen menschlichem und KI-generiertem Inhalt verschwimmt ("Dead Internet Theory").
Das unkritische Übernehmen und Verbreiten von KI-generierten Informationen ist gefährlich, da diese Modelle nicht garantieren können, dass die Inhalte wahr sind.
🔧🤝 KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
Das Ziel sollte nicht sein, KI zu verteufeln. Automatisierung hat schon immer Fortschritt gebracht, von der Industrialisierung bis zur Nutzung von Excel durch Buchhalter. KI soll ein Werkzeug sein, das uns effizienter macht und repetitive Aufgaben vereinfacht.
Das Problem entsteht, wenn wir zulassen, dass KI unsere Fähigkeit untergräbt, komplexe Probleme selbst zu verstehen, eine nuancierte Sicht auf die Welt zu entwickeln und eigenständig zu denken. Wie die Neurologin Dr. Ann McKee, bekannt für ihre Forschung zu CTE und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, oft betont, ist es entscheidend für die Resilienz und kognitive Gesundheit unseres Gehirns, es ständig herauszufordern und zu nutzen. Hohe kognitive Aktivität kann sogar helfen, den Ausbruch von Krankheiten wie Alzheimer zu verzögern.
🧠 Die entscheidende Fähigkeit: Kritisches Denken
Wir leben im Informationszeitalter, doch die Informationsflut wird zunehmend von KI-generierten Inhalten dominiert, die als "Wahrheit" dargestellt werden könnten. Mehr denn je müssen wir unsere "Free Agency" bewahren – unsere Fähigkeit, selbst zu denken und zu entscheiden.
Kritisches Denken ist ein vielschichtiger kognitiver Prozess, der die Fähigkeit beinhaltet, klar und rational zu denken, logische Zusammenhänge zwischen Ideen zu verstehen, Argumente zu bewerten und Inkonsistenzen in der Argumentation zu erkennen.
Technologie sollte ein Werkzeug für das Denken sein, kein Ersatz dafür. Das berühmte Zitat von René Descartes "Ich denke, also bin ich" (Cogito ergo sum) gewinnt in der Ära der KI neue Relevanz.
Unsere wichtigste Fähigkeit, die wir schützen und stärken müssen, ist das KRITISCHE DENKEN!
Wir müssen lernen, Inhalte – egal ob von Menschen oder KI generiert – kritisch zu hinterfragen, verschiedene Quellen zu prüfen und uns nicht blind auf die erste, bequemste Antwort zu verlassen. Schalte Dein Gehirn ein, bewerte Informationen sorgfältig und nutze KI als das, was sie sein sollte: eine leistungsstarke Unterstützung, aber niemals ein vollständiger Ersatz für Dein eigenes Urteilsvermögen.
In einer Welt, in der KI uns das Denken abnehmen will, müssen wir bewusst mehr denken.
📚🔗 Quellen
[1] "Habitual use of GPS negatively impacts spatial memory during self-guided navigation", Louisa Dahamani, Veronique D. Bohbot, 2020, natureresearch.
[2] "AI Tools in Society: Impacts on Cognitive Offloading and the Future of Critcial Thinking", Michael Gerlich, 2025, Societies.
[3] "How AI Is Impacting The Skills Of Gen Zers In The Workplace", Forbes, https://www.forbes.com/sites/larsdaniel/2025/01/19/new-study-says-ai-is-making-us-stupid-but-does-it-have-to/
[4] "41% of companies worldwide plan to reduce workforces by 2030 due to AI", CNN Business, https://edition.cnn.com/2025/01/08/business/ai-job-losses-by-2030-intl/index.html
[5] "57% of the internet may already be AI sludge", digitaltrends, https://www.digitaltrends.com/computing/57-percent-of-internet-may-already-be-ai-sludge/
🤖💬 BONUS: Was sagt die KI dazu?
Ich habe unterschiedliche LLMs mit der Frage konfrontiert "Macht uns die KI dümmer?" und hier sind die Antworten dazu:
ChatGPT
KI macht uns nicht automatisch dümmer, aber sie kann unser Denken schwächen, wenn wir uns zu stark auf sie verlassen und aufhören, selbst zu reflektieren, zu lernen oder kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig bietet sie enorme Chancen: Sie kann uns beim Verstehen komplexer Themen helfen, Routinetätigkeiten abnehmen und individuelles Lernen fördern. Entscheidend ist, wie wir KI nutzen – als passive Krücke oder als aktives Werkzeug zur Erweiterung unserer Fähigkeiten.
Grok
KI macht uns nicht zwangsläufig dümmer, aber sie kann unsere Denkfähigkeit beeinflussen, je nachdem, wie wir sie nutzen. Wenn wir KI als Werkzeug einsetzen, um komplexe Probleme zu lösen oder Wissen zu vertiefen, kann sie unsere Fähigkeiten erweitern. Studien, wie die von Pew Research (2023), zeigen, dass 60 % der Experten glauben, KI werde kritisches Denken fördern, wenn sie richtig integriert wird.
Allerdings besteht die Gefahr, dass übermäßiger Konsum von KI-generierten Inhalten, wie automatisierten Feeds oder vereinfachten Antworten, kritisches Denken und Eigeninitiative hemmt. Psychologische Studien (z. B. Carr, 2020) deuten darauf hin, dass ständige Nutzung digitaler Technologien die Fähigkeit zur tiefen Konzentration reduzieren kann. Es kommt also auf den bewussten Umgang an: Nutzen wir KI, um zu lernen, oder lassen wir sie unser Denken ersetzen?
Gemini
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, ob uns KI dümmer macht, komplex ist und von verschiedenen Faktoren abhängt, insbesondere vom individuellen Nutzungsverhalten und der Gestaltung der Mensch-KI-Interaktion. Während die Gefahr der kognitiven Faulheit bei unreflektierter Nutzung real ist, birgt KI auch das Potenzial, unsere Lernfähigkeiten zu verbessern und uns von mühsamen Aufgaben zu entlasten, sodass wir uns auf anspruchsvollere Denkvorgänge konzentrieren können. Es liegt in unserer Hand, KI verantwortungsvoll und bewusst einzusetzen, um ihre Vorteile zu nutzen und gleichzeitig die potenziellen negativen Auswirkungen auf unsere kognitiven Fähigkeiten zu minimieren. Die Entwicklung von kritischem Denken und Medienkompetenz im Umgang mit KI wird dabei entscheidend sein.
Copilot
Das ist eine spannende Frage! Künstliche Intelligenz kann uns einerseits enorm helfen, Wissen schneller zu finden und komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Andererseits könnte sie dazu führen, dass wir weniger selbstständig denken, wenn wir uns zu stark auf sie verlassen.
Es hängt letztlich davon ab, wie wir KI nutzen: Als Werkzeug, um unser Wissen zu erweitern und unsere Fähigkeiten zu verbessern? Oder als Ersatz für eigenes Denken? Wenn wir kritisch bleiben und sie gezielt einsetzen, kann sie uns sogar klüger machen.